Jetzt habe ich mein Endurance-Bike mit 35 mm GP5000AS TRs ausgestattet, einem der besten Allround-Reifen auf dem Markt. Tubeless, pannensicher, rollt gut, dämpft perfekt. Und dann lese ich diesen Labortest von Cyclingnews, der zeigt, dass 40-mm-RennradReifen unter 40 km/h schneller sein können als schmalere Reifen – sogar auf der Straße? Muss ich jetzt nochmal umrüsten?
Ausgangspunkt: Persönliche Erfahrungen mit 35-mm-Reifen
Inhaltsverzeichnis
Wenn ich auf eine Tour von über 1000 km gehe und dabei ein Rennrad brauche – aber kein vollwertiges Gravelbike – dann greife ich zu meinem Endurance-Renner. All Road, wie man heute so schön sagt. Mein Setup: Carbonrahmen, Aero-Cockpit, 2×12-Gang, Scheibenbremsen, Komfort-Geometrie. Auf solchen Touren sind schlechte Straßen, Schotterwege, Wurzelpassagen auf Radwegen oder holpriger Asphalt keine Seltenheit. Gerade auf meiner Lieblingsstrecke von Basel über Frankreich bis nach Marseille, aber auch bei einer Tour wie Nantes nach Freiburg durch Zentralfrankreich – da hat man alles: Glatten Teer, groben Chipseal, Waldpassagen, alte Bahntrassen mit Wellen und Pflaster.
Und genau da habe ich gemerkt: Mit den 35 mm Reifen bin ich oft schneller unterwegs als mit 28 mm. Warum? Weil ich mit den breiten Reifen schlichtweg mehr Druck aufs Pedal bringen kann. Die Reifen „wippen“ nicht, die Vibrationen gehen nicht so stark in die Beine, und ich bin effizienter unterwegs – nicht auf dem Papier im Windkanal, sondern in der echten Welt mit wechselndem Belag. Selbst wenn’s mal 1–2 km/h weniger auf dem Tacho sind: Nach 6 Stunden im Sattel habe ich mehr Power übrig.
Der Labortest: 40 mm schneller bei realen Bedingungen
Was ich subjektiv erlebt habe, wird jetzt auch objektiv bestätigt: Im Silverstone Sports Engineering Hub hat Cyclingnews verschiedene Reifenbreiten unter Laborbedingungen getestet. Der Fokus lag auf zwei Dingen: Rollwiderstand (auf glattem und rauem Untergrund) und Aerodynamik (im Windkanal). Getestet wurden Pirelli P Zero Race TLR in Breiten von 26 mm bis 40 mm, montiert tubeless auf aktuellen Aero-Gravel-Laufrädern (Hunt CGR40, Zipp 303 XPLR).
Die Ergebnisse sind eindeutig:
- Auf glattem Asphalt sind die Unterschiede im Rollwiderstand minimal. Breitere Reifen rollen nicht schlechter, solange der Druck angepasst ist.
- Auf rauem Asphalt oder Pflaster dagegen sparen breitere Reifen teils Dutzende Watt an Rollwiderstand – der 40-mm-Reifen war bei 40 km/h auf Kopfsteinpflaster rund 66 W effizienter als der 26-mm-Reifen.
- Aerodynamisch sind schmalere Reifen klar im Vorteil. Aber: Dieser Nachteil macht sich erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten bemerkbar (ab etwa 40 km/h aufwärts). Bei 32 km/h liegt der Aero-Nachteil für 40 mm Reifen bei nur rund +5–6 W.
Fazit des Labors: Auf realen Straßen, bei typischen Geschwindigkeiten, sind breite Reifen oft insgesamt schneller.
Mein Fazit für die Praxis
Wenn ich die Wahl habe und es das Rad zulässt, fahre ich so breit wie möglich. 35 mm ist aktuell mein Sweet Spot, weil mein Endurance-Bike nicht mehr Platz bietet. Würde ein 40-mm-Reifen reinpassen, ohne dass der Abstand zur Gabel oder Kettenstrebe zu knapp wird – ich würde es machen. Warum? Weil:
- Ich spürbar weniger müde bin nach langen Etappen.
- Ich besser über grobe Beläge hinweggleite.
- Ich auf langen Touren mit Gepäck und schlechter Infrastruktur schneller und sicherer bin.
- Ich bei schlechtem Wetter oder auf nassen Radwegen mehr Grip und Kontrolle habe.
Gerade auf Strecken wie Basel–Marseille mit vielen wechselnden Belägen bringt mir ein breiter Reifen mehr Ruhe, Effizienz und Sicherheit. Und auf Touren wie Nantes–Freiburg, wo der Untergrund teilweise sehr rau ist, macht sich jeder zusätzliche Millimeter Reifenvolumen positiv bemerkbar.
Empfehlung für alle Langstreckenfahrer
Wenn du unter 40 km/h unterwegs bist, auch mal schlechten Asphalt oder Wege mit Wurzeln, Split, Flickstellen oder Schotter befährst, dann: Geh so breit wie dein Rahmen es erlaubt.
- 28 mm sind ok.
- 32 mm sind besser.
- 35 mm oder sogar 40 mm sind optimal – wenn es dein Bike kann.
Und: Wenn du ein All Road-Rad oder Endurance-Rennrad hast, hol das volle Potenzial raus. Der Mythos vom „schnellen schmalen Reifen“ gilt heute nicht mehr uneingeschränkt.
Die alten Dogmen von „schmal = schnell“ gelten nicht mehr. Im Zeitalter moderner Tubeless-Technologie, breit ausgelegter Felgen und realistischer Geschwindigkeiten gewinnen breitere Reifen. 40 mm ist nicht nur komfortabel – sondern für viele auch messbar schneller.
Nerdtalk: Warum 40-mm-Rennradreifen laut Labortest oft die schnellere Wahl sind
In einem umfassenden Labortest hat Cyclingnews im renommierten Silverstone Sports Engineering Hub untersucht, wie sich unterschiedliche Reifenbreiten – von 26 mm bis 40 mm – auf Rollwiderstand, Aerodynamik und Gesamtleistung auswirken. Das überraschende Ergebnis: Für die allermeisten Fahrer*innen, die mit Geschwindigkeiten unter 40 km/h unterwegs sind, könnten breitere Reifen (z. B. 40 mm) die insgesamt schnellere und effizientere Wahl sein – vorausgesetzt, der Untergrund ist nicht glatt wie eine Rennbahn.
Dieser Testbericht ist ein Deep Dive in diese Ergebnisse, gibt alle relevanten Messwerte wieder und erklärt die physikalischen Zusammenhänge. Ziel ist es, die Frage zu klären: Sind breite Reifen die Zukunft auf dem Rennrad?
Testdesign: Wer hat getestet – und wie?
Der Labortest wurde von Josh Croxton von Cyclingnews konzipiert und durchgeführt. Die Tests fanden im Silverstone Sports Engineering Hub statt – einer hochmodernen Einrichtung für sportwissenschaftliche Messungen.
Es wurden sowohl Rollwiderstandsmessungen als auch Windkanaltests durchgeführt. Dabei kamen echte Fahrerbewegungen auf einem Prüfstand und rotierende Laufräder im Windkanal zum Einsatz. Die Messungen umfassten verschiedene Fahrgeschwindigkeiten und Untergründe.
Die getesteten Reifen
- Modell: Pirelli P Zero Race TLR
- Breiten: 26 mm, 28 mm, 30 mm, 32 mm, 35 mm, 38 mm und 40 mm
- Alle Reifen wurden tubeless montiert mit ca. 30 ml Dichtmittel
- Auf zwei verschiedenen Laufradsätzen gefahren:
- Hunt CGR40 (25 mm Innenweite)
- Zipp 303 XPLR SW (32 mm Innenweite)
Diese Laufräder repräsentieren zwei Extreme: Hunt als moderner Endurance-Standard, Zipp als Aero-Gravel-Spezialist. Beide Felgen hatten eine ähnliche Tiefe (~40–54 mm).
Die Testmethoden
Rollwiderstand (Pedalling Efficiency Rig):
- Fahrer tritt konstant bei 32 km/h und 40 km/h
- Zwei Untergründe: glatter Asphalt und Kopfsteinpflaster
- Messung am Hinterrad
- Ergebnisse auf Gesamtrad umgerechnet (55 % Gewicht hinten → Multiplikator 1,818)
- Pro Reifenset: 8 Messungen (2 Untergründe × 2 Geschwindigkeiten × 2 Wiederholungen)
Aerodynamik (Windkanal):
- Laufräder rotierend bei 39,6 km/h
- Sieben Anströmwinkel von -15° bis +15°
- Reifen wurden mit leichtem Schlauch montiert (kein Dichtmittel im Windkanal)
- Berechnung von CdA-Werten (Aero-Querschnitt) und Umrechnung in Leistungsverbrauch in Watt
Ergebnisse: Rollwiderstand
Auf glattem Asphalt:
- Alle Reifen – egal ob 26 mm oder 40 mm – zeigten nahezu identische Rollwiderstände.
- Unterschiede lagen im Bereich der Messtoleranz (z. B. <1 Watt Differenz)
- Minimal besser war tendenziell der 26-mm-Reifen (vermutlich aufgrund geringeren Gummivolumens), jedoch vernachlässigbar
Fazit:
Breite Reifen rollen auf glattem Asphalt nicht schlechter als schmale – vorausgesetzt, sie werden mit dem passenden Druck gefahren.
Auf rauem Untergrund (Kopfsteinpflaster):
- Der 40-mm-Reifen war drastisch effizienter:
- Bei 40 km/h: ca. 66 W weniger Leistungsverlust (nur Hinterrad!) als der 26-mm-Reifen
- Hochgerechnet auf beide Räder: ~120 W Ersparnis gegenüber schmalen Reifen
- Auch bei 32 km/h war der Unterschied massiv: ca. 30–40 W Einsparung je nach Felge
- Je breiter der Reifen, desto niedriger der Rollwiderstand
Mechanismus:
- Breite Reifen dämpfen Vibrationen besser
- Geringere „Impedanzverluste“ – also weniger Energie, die durch mikroskopisches Rütteln verloren geht
- Weniger vertikale Beschleunigung = mehr Effizienz
Fazit:
Auf schlechten Straßenbedingungen sind breite Reifen massiv schneller – durch weniger Rollwiderstand und bessere Dämpfung
Ergebnisse: Aerodynamik
CdA-Werte & Leistungsverbrauch:
- Der 26-mm-Reifen war am aerodynamischsten
- Der 40-mm-Reifen hatte bei 40 km/h:
- Auf Hunt-Felge: +10,5 W Leistungsbedarf
- Auf Zipp-Felge: nur +4,8 W Leistungsbedarf (bessere Integration)
Die breite Zipp-Felge kompensierte einen Teil des Aero-Nachteils durch besseres Reifen-Felgen-Verhältnis
Weitere Werte:
- Bei 32 km/h lag der Unterschied zwischen 26 mm und 40 mm bei etwa +5–6 W
- Die Unterschiede zwischen den Zwischengrößen (28–35 mm) lagen jeweils bei 1–2 W
Fazit:
Breitere Reifen sind aerodynamisch nachteilig, aber dieser Nachteil ist moderat bis gering – vor allem unter 40 km/h
Gesamtbewertung: Rollwiderstand vs. Aerodynamik
Um die Frage zu beantworten, welcher Reifen „schneller“ ist, kombinierte das Testteam beide Faktoren: Rollwiderstand + Aerodynamik = Gesamtleistungsverlust
Auf glattem Asphalt:
- 26-mm-Reifen ist minimal besser (1–2 W Unterschied), hauptsächlich durch Aero
- 40-mm-Reifen kostet bei 40 km/h netto ~11 W mehr (Roll + Aero kombiniert)
- Bei 32 km/h schrumpft der Unterschied auf ~5–6 W
Auf rauem Belag:
- 40-mm-Reifen ist Netto deutlich schneller
- Einsparung durch Rollwiderstand ist größer als Aero-Verlust
- Selbst bei 40 km/h bleibt der breite Reifen effizienter
Kontext:
- Aero-Verlust steigt quadratisch mit Geschwindigkeit
- Rollwiderstand nimmt mit Geschwindigkeit linear zu – wird aber durch Oberflächenbeschaffenheit stark beeinflusst
Fazit:
Auf realen Straßen, unter 40 km/h, ist der 40-mm-Reifen oft netto schneller, trotz Aero-Nachteil
Physikalische Erklärungen
Warum rollt ein breiter Reifen besser?
- Geringerer Druck = größere Kontaktfläche, aber weniger Impedanz
- Breiterer Reifen verformt sich weniger vertikal und absorbiert Unebenheiten besser
- Geringere Verluste durch Vibrationen
Warum ist er aerodynamisch schlechter?
- Mehr Stirnfläche
- Übergang zur Felge oft ungünstiger (außer mit extrem breiten Aero-Felgen)
- Mehr Turbulenz
Aber: Der Aero-Nachteil fällt nur bei hohem Tempo stark ins Gewicht.
Gewicht
- 40-mm-Reifen sind schwerer (~150–200 g mehr pro Reifen)
- Relevanz?
- Bei 6 % Steigung ca. 0,8 W Mehrleistung nötig aufgrund Zusatzgewicht
- Im Vergleich zu Rollwiderstandsersparnis vernachlässigbar
Fazit:
Gewichtsunterschiede zwischen 26 mm und 40 mm spielen kaum eine Rolle
Was bedeutet das für verschiedene Fahrertypen?
Hobbyfahrer (20–35 km/h):
- Fast immer Vorteil für breitere Reifen
- Komfort + Effizienz überwiegen Aero
Performancefahrer (>40 km/h):
- Vorteil für schmale Reifen nur auf glatten Straßen
- Zeitfahren, Kriterium, Straßenrennen → 26–28 mm bevorzugt
Langstreckenfahrer, Brevets, Touren:
- 35–40 mm ideal
- Weniger Ermüdung, mehr Traktion, weniger Leistungsverlust auf rauem Terrain
Gravel- und Allroad:
- Klar: Je breiter, desto besser – auch auf Asphalt keine echten Nachteile
Kopfsteinpflaster / Paris–Roubaix:
- Breite Reifen (mind. 32 mm) massiv im Vorteil
- 40 mm wären laut Test sogar noch schneller, wenn das Rad sie zulässt
Empfehlung
Der Test empfiehlt:
„Fahre den breitesten Reifen, den dein Rad und deine Felge sicher zulassen.„
Solange du nicht dauerhaft über 40 km/h auf glattem Belag unterwegs bist, profitierst du von:
- Geringerem Rollwiderstand auf rauem Untergrund
- Höherem Komfort = längere Leistungsfähigkeit
- Besserer Kontrolle und Grip
Hersteller sollten künftig:
- Rahmen mit mehr Reifenfreiheit designen
- Felgen und Reifen für bessere Aerodynamik im breiten Bereich optimieren
Der Test deutet an, dass 35–40 mm künftig der neue Standard bei Rennradreifen sein könnten – besonders für Endurance- und Allroad-Bikes.
Quellen
- Cyclingnews: Lab tested: 40mm road tyres are faster for nearly everyone, and here’s why
- Silverstone Sports Engineering Hub – https://www.silverstonesportshub.co.uk
- Cyclingnews: Rolling resistance test of 24 high-performance tyres
- Weitere Hintergrundartikel bei Cyclingnews zur Entwicklung breiter Rennradreifen